Auf den Spuren von Heinrich Zille

Kiezfotografien 1976 – 1984 von Gottfried Schenk


6. Juli 2016 bis 8. Januar 2017

Mit einer Sonderausstellung im Kabinett der Villa Oppenheim rückt das Museum den Charlottenburger Klausenerplatz-Kiez in den Fokus. Begrenzt wird dieses Areal, das südlich des Schlosses Charlottenburg liegt, durch den Spandauer Damm, die Schloßstraße, die Sophie-Charlotten-Straße und die Knobelsdorffstraße. „Auf den Spuren von Heinrich Zille“, der hier 37 Jahre lang wohnte und seine berühmten „Milljöh“-Studien schuf, wandelte 1976 bis 1984 der Fotograf Gottfried Schenk. Er dokumentierte als Mitglied einer Mieterinitiative die Aktivitäten der Kiezbewohnerinnen und Bewohner sowie die morbide Schönheit verfallender Gründerzeitbauten. Seine Fotografien spüren Ansichten und Szenen aus einem traditionellen Arbeiterkiez auf und fangen die verbliebenen Spuren des alten Zille-Milieus ein.

Die Entstehung des Klausenerplatz-Kiezes, ein Viertel mit heute knapp 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, geht zurück in die Gründerzeit nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71). Mit der Industrialisierung Berlins ging ein steigender Bedarf an Wohnraum für Arbeiterfamilien einher. Auf der Grundlage des Hobrecht-Plans entstand eine rechtwinklige Straßenführung mit dazwischenliegenden Häuserblöcken, den sogenannten Mietskasernen.

Gottfried Schenk vor seinen Fotografien

Prominenter Bewohner war der Maler, Grafiker und Fotograf Heinrich Zille (1858 – 1929), der in diesem Kiez in der Sophie-Charlotten-Straße 88 wohnte. Seine Fotografien zählen zu den wichtigsten Zeitdokumenten jener Zeit. Wie seine „Milljöh“-Studien vermitteln sie ein ungeschöntes Bild der Wohn- und Lebensverhältnisse in den Mietskasernen, in denen bis zu 30.000 Menschen lebten.

Von den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges blieb das Viertel weitgehend verschont. Aufgrund der schlechten sanitären Ausstattung und des zunehmenden Verfalls wurde es 1963 zum Sanierungsgebiet erklärt. Die vom Berliner Senat geplanten Maßnahmen stießen jedoch auf Widerstand der Bewohnerinnen und Bewohner. Dieser formierte sich in der 1973 gegründeten Mieterinitiative Sanierungsgebiet Klausenerplatz e.V., die den Erhalt der Häuser und bezahlbare Mieten nach der Sanierung forderte. Die Auseinandersetzungen brachten eine Wende in der Sanierungspolitik und gelten als Geburtsstunde der „behutsamen Stadterneuerung“.

Gottfried Schenk, geboren 1949 in Kufstein / Österreich, lebt als Autor und Fotograf in Berlin. Von 1974 bis 1988 wohnte er im Klausenerplatz-Kiez und war in der Mieterinitiative Sanierungsgebiet Klausenerplatz e.V. aktiv.

Passend zur Ausstellung ist im be.bra verlag der Bildband von Gottfried Schenk „Charlottenburgs rote Insel – Vom Zille-Milieu zum Klausenerplatz-Kiez“ erschienen (Berlin 2016, 144 Seiten, 137 Abb., 20 €, ISBN 978-3-8148-0227-5).  

Hinterhof in der Seelingstraße 46, 1977 © Gottfried Schenk
Hinterhof in der Danckelmannstraße 45, 1978 © Gottfried Schenk
Hinterhof mit Remisen in der Christstraße, 1979 © Gottfried Schenk
Marktstände am Klausenerplatz, 1976 © Gottfried Schenk
Oldtimer-Stadtrundfahrt in der Nehringstraße mit Bausenator Harry Ristock (4. von links) und Bezirksbürgermeister Roman Legien (6. von links), 1980 © Gottfried Schenk
Clowns vor dem Laden der Mieterinitiative in der Nehringstraße 11, 1979 © Gottfried Schenk